Atrophische Vaginitis: Ätiologie, Symptome, Diagnostik, Therapie

Atrophische Vaginitis ist eine Komplikation des menopausalen urogenitalen Syndroms, einer Gesamtheit von Anzeichen und Symptomen, die mit einem Rückgang der Sexualhormone einhergeht und zu atrophischen Veränderungen der Schamlippen, der Klitoris, des Scheidenvorhofs, der Vagina, der Harnröhre und der Blase führt.

3D-Animation: Atrophische Vaginitis

Ätiopathogenese

Ein niedriger Spiegel an Sexualhormonen, insbesondere an Östrogen, führt zu atrophischen Veränderungen der Vaginalschleimhaut und einer verminderten Glykogenspeicherung im Vaginalepithel, das von lokalen Bakterien zu organischen Säuren abgebaut wird, die für den Schutz des Genitaltrakts notwendig sind. Dadurch sinkt die Lactobacillus-Konzentration mit dem anschließenden Anstieg an pH-Wert, was das Wachstum pathogener Bakterien fördert und zu Vaginitis führt.

Androgene (d. h. Dehydroepiandrosteron, Androstendion und Testosteron) spielen eine wichtige Rolle im Stoffwechsel der Vaginalschleimhaut und sind für die Biosynthese von Östrogenen notwendig. Bei gesunden prämenopausalen Frauen ist die Androgenproduktion deutlich höher als die Östrogenproduktion. Androgenrezeptoren sind im gesamten Urogenitaltrakt weit verbreitet. Androgenabhängige Proteinprodukte haben trophische Wirkungen auf verschiedene urogenitale Gewebe (Vaginalvorhof, Klitoris, Harnröhre, Vagina, Blase, Beckenbodenmuskeln/-bänder). Neben der Einstellung der Östrogenproduktion in den Wechseljahren kann auch der altersbedingte Rückgang der Androgene zu den Anzeichen und Symptomen des Urogenitalsyndroms beitragen.

Symptome

Patientinnen beschweren sich über Scheidentrockenheit, Brennen, Juckreiz und Rötung, sexuelle Symptome wie mangelndes Vaginalsekret, verminderte Lubrikation, Unbehagen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) oder vaginale Blutungen bei sexueller Aktivität. Weitere Symptome sind Blasenentleerungsstörungen, Dysurie und wiederkehrende Harnwegsinfektionen. Diese Beschwerden sind für die betroffenen Frauen körperlich und emotional belastend und wirken sich negativ auf das sexuelle Interesse, die Intimität und die Beziehung zum Partner, die Stimmung und das Selbstwertgefühl der Frauen aus.

Diagnostik der atrophischen Vaginitis

Bei einer Spekulumuntersuchung findet sich eine dünne Scheidenwand ohne Vaginalsekret, Hyperämie, die mit lokalen punktförmigen Petechien und Ulzerationen einhergehen kann.

Atrophische Vaginitis: Ansicht bei der Spekulumuntersuchung (links) Seitenwand der Scheide (rechts)
Atrophische Vaginitis: Ansicht bei der Spekulumuntersuchung (links) Seitenwand der Scheide (rechts): 3D-Modell

Der vaginale Reifungsindex (VRI) ist ein Maß für das proportionale Verhältnis zwischen den oberflächlichen, intermediären und parabasalen Zellen des Vaginalgewebes. Der Rückgang des Östrogenspiegels geht mit einer Zunahme der parabasalen Zellen einher, was zu einer Senkung des VRI-Index führt.

Bei der histologischen Untersuchung wird eine Verringerung des oberflächlichen Plattenepithels und eine Zunahme der Parabazalzellen diagnostiziert. Ein Östrogenmangel führt zum Verlust von Kollagen, Elastinfasern und Blutgefäßen. Diese Veränderungen beeinträchtigen die Elastizität und Durchblutung. Eine verminderte Durchblutung als Reaktion auf einen niedrigen Östrogenspiegel verursacht eine Ausdünnung der Vaginalschleimhaut und einen Rückgang der Sekretion.

Behandlung der atrophischen Vaginitis

Vaginale Therapie

Die vaginale Therapie ist die von der International Menopause Society (IMS) empfohlene pharmakologische Behandlung der ersten Wahl. Die Therapie sollte mit der niedrigsten Dosis und der niedrigsten Häufigkeit begonnen werden, mit der sich die Symptome wirksam bekämpfen lassen.
Mittel der Wahl ist vaginales Östrogen – diese Art der Therapie ist nur für Frauen mit vaginalen Symptomen geeignet, da diese Gruppe von Medikamenten niedrigere Östrogendosen enthält als die systemische Therapie. Progestagen ist generell nicht für die lokale Therapie angezeigt. Eine Überwachung der Endometriumfunktion ist ebenfalls nicht erforderlich, es sei denn, es treten postmenopausale Blutungen auf, die eine diagnostische Abklärung erfordern. Die vaginale Therapie erhöht die Östrogenkonzentration im Vaginalepithel und im Uroepithel und hilft, atrophische Veränderungen zu verringern und gleichzeitig die systemischen Auswirkungen zu minimieren. Ein Cochrane Review ergab keinen Hinweis auf einen Unterschied im Anteil der Frauen, die über eine Verbesserung der Symptome zwischen den folgenden Darreichungsformen berichteten: Östrogenring und Östrogencreme, Östrogenring und Östrogentabletten, Östrogentabletten und Östrogencreme. Östriol ist ein natürliches Östrogen. Bei postmenopausalen Frauen erhöht eine niedrige Dosis Östriol-Vaginalgel (0,005 %) nachweislich den Reifungsindex der Vaginalzellen und senkt den vaginalen pH-Wert im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Systemische Therapie

  1. Eine Östrogen-Monotherapie wird bei Frauen nach einer Gebärmutterexstirpation eingesetzt.
  2. Eine Östrogen-Gestagen-Kombination kommt bei Frauen mit intakter Gebärmutter zum Einsatz.
  3. Das synthetische Äquivalent von körpereigenem DHEA ist für die Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Dyspareunie zugelassen. Das Medikament wird einmal täglich vaginal verabreicht. Die Einnahme von DHEA geht mit einer deutlichen Verbesserung des vaginalen pH-Werts und der vaginalen Symptome einher. Dabei bleibt der Serum-Östradiol- und Testosteronspiegel unverändert. Die visuelle Untersuchung zeigt eine Verbesserung des Vaginalsekrets, der Farbe, der Dicke und der Integrität des Epithels. Die Sicherheit der intravaginalen Form des Hormons für die Gebärmutterschleimhaut ist in Kurz- und Langzeitstudien nachgewiesen worden. Die häufigsten Nebenwirkungen sind auffälliges Vaginalsekret und abnormale Ergebnisse der Papanicolaou-Färbung.
  4. Orale SERMs sind für die Behandlung von Dyspareunie und Scheidentrockenheit zugelassen. Präklinischen Studien zufolge kann dieser Arzneistoff günstige östrogene Wirkungen auf die Knochen und anti-östrogene Wirkungen auf das Brustgewebe haben. Allerdings sind SERMs nicht zur Vorbeugung von Osteoporose oder zur Behandlung von Brustkrebs zugelassen. Eine Meta-Analyse randomisierter Studien ergab, dass das Mittel gut verträglich ist und ein gutes Sicherheitsprofil aufweist.

Symptomatische Therapie

1. Gleitmittel: Frauen, die kein vaginales Östrogen benutzen möchten, können nicht-hormonelle Befeuchtungs- und Gleitmittel verwenden. Diese Therapie zielt auf die kurzfristige Verbesserung von Scheidentrockenheit und Dyspareunie ab und behandelt das Problem nicht ursächlich. Gleitmittel auf Wasser-, Silikon-, Mineral- oder Pflanzenölbasis werden vor dem Geschlechtsverkehr auf Vagina und Vulva aufgetragen.

2. Hyaluronsäure: Hyaluronsäure in Vaginalform ist ein farbloses Gel mit einem Hyaluronsäure-Derivat, das Wassermoleküle an das Gewebe abgibt und so die Scheidentrockenheit lindert, ohne die Vaginalschleimhaut zu reizen.

3. Physiotherapie/Dilatatoren: Frauen mit atrophischer Vaginitis und vaginaler Stenose können eine Technik der sanften vaginalen Dehnung mit befeuchteten Dilatatoren (Dehnungsstiften) verschiedener Größen anwenden. Außerdem sind diesen Patientinnen gezielte Entspannungs- und Beckenbodenübungen angezeigt.

4. Lasertherapie mit dem fraktionierten CO2-Laser oder Erbium:YAG-Laser. Mehrere kleine Studien haben gezeigt, dass eine fraktionierte CO2-Lasertherapie den prämenopausalen Zustand des Vaginalepithels wiederherstellen und die Laktobazillenanzahl erhöhen kann. Die weltweit führenden Experten empfehlen die CO2-Fraktionslasertherapie jedoch nicht und warnen vor ihrem Einsatz bei der Behandlung des Urogenitalsyndroms ohne langfristige, gut kontrollierte Studien.

FAQ

1. Was ist atrophische Vaginitis?

Die atrophische Vaginitis ist eine entzündliche Veränderung der Vaginalschleimhaut, die durch einen Östrogenmangel verursacht wird. Dieser Zustand ist typisch für die Postmenopause und äußert sich durch eine Ausdünnung des Epithels, eine Abnahme der sekretorischen Funktion und eine Veränderung der vaginalen Flora.

2. Welche Symptome sind typisch für atrophische Vaginitis?

Typische Symptome sind Scheidentrockenheit, Dyspareunie, Juckreiz und Brennen. Urogenitale Beschwerden können Dysurie, Pollakisurie und wiederkehrende Harnwegsinfektionen umfassen. In schweren Fällen können Kontaktblutungen auftreten.

3. Welche Komplikationen sind ohne Behandlung möglich?

Das Fortschreiten der atrophischen Veränderungen führt zu einem chronischen Entzündungsprozess mit Beteiligung der Harnwege, Bildung von ulzerativen Defekten der Schleimhaut und ausgeprägten Harnwegsstörungen.

4. Welche Präventivmaßnahmen sind sinnvoll?

Zur Vorbeugung gehören regelmäßige gynäkologische Untersuchungen und erforderliche Hygienemaßnahmen. Als Prophylaxe können auch intravaginale Östrogene in Betracht gezogen werden. Zigarettenrauchen sollte vermieden werden, da es eine Gefäßverengung verursacht, die die Sekretion reduziert und die Symptome verschlimmert.

5. Für welche Altersgruppen ist die atrophische Vaginitis charakteristisch?

Die atrophische Vaginitis tritt vorwiegend bei postmenopausalen Frauen auf (in der Regel nach dem 50. und 55. Lebensjahr), wobei Häufigkeit und Schweregrad der Symptome mit zunehmendem Alter steigen. Bei älteren Frauen (über 65 Jahre) kommt dieses Krankheitsbild in 60-70 % der Fälle vor und ist durch einen schwereren Verlauf gekennzeichnet. Diese Symptomatik kann bei Frauen im reproduktiven Alter vor dem Hintergrund einer künstlichen Menopause (nach Ovarektomie, Chemo- oder Strahlentherapie) sowie bei ausgeprägtem Östrogenmangel (z. B. Hyperprolaktinämie oder Anorexie) entstehen.

Quellenverzeichnis

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VOKA Katalog.

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