Als Thrombophlebitis (auch oberflächliche Venenthrombose, kurz OVT genannt) bezeichnet man eine Entzündung der Venenwand mit Thrombusbildung, die am häufigsten die oberflächlichen Venen der unteren Extremitäten betrifft.
Die Erkrankung kommt am häufigsten im Alter zwischen 60 und 70 Jahren vor.
Frauen sind etwas häufiger betroffen, insbesondere bei Vorliegen von Varizen.
Systemische Entzündungs- und Autoimmunerkrankungen: systemischer Lupus erythematodes, entzündliche Vaskulitis
COVID-19: Ursache für vorübergehende Hyperkoagulabilität und Thrombose, auch in den oberflächlichen Venen
Varizen der unteren Extremitäten: der häufigste Auslöser für die Entwicklung einer oberflächlichen Venenthrombose: 3D-Modell
Pathogenese
Verletzung des Endothels der Venenwand
Das geschädigte Endothel verliert seine antithrombotischen Eigenschaften, exprimiert Adhäsionsmoleküle (ICAM-1, VCAM-1), aktiviert Thrombozyten und Leukozyten und löst die Produktion von proinflammatorischen Zytokinen (IL-1β, TNF-α) aus.
Aktivierung der Gerinnungskaskade
Durch die Schädigung der Intima und die Aktivierung des Gewebefaktors wird die äußere Blutgerinnungskette ausgelöst:
Aktivierung von Faktoren VIIa und X
Umwandlung von Prothrombin in Thrombin
Fibrinbildung und Stabilisierung des Thrombus
gleichzeitige Thrombozytenaggregation zu einer „weißen“ Thrombozytenmatrix, insbesondere in Bereichen mit turbulenter Strömung
Die lokale Verlangsamung des Blutflusses verstärkt und erhält die lokale Thrombusbildung aufrecht:
erhöhte Kontaktwechselwirkung von zellulären Bestandteilen des Bluts mit der Gefäßwand
Erhöhung der Konzentration von Prokoagulantien
verringertes „Abspülen“ von thrombogenen Molekülen
Entzündliche Infiltration der Venenwand (sterile Entzündung):
Wanderung von Neutrophilen und Monozyten
Sekretion von Metalloproteinasen, die die Zerstörung der Intima hervorrufen
Produktion von IL-6, IL-8 und proinflammatorischen Mediatoren
Fibrose und Verdickung der Venenwand mit Chronifizierung
eventuell eitriger Verlauf bei Sekundärinfektion (septische Thrombophlebitis)
Organisation oder Embolisation des Thrombus
Die weitere Entwicklung kann nach zwei Szenarien erfolgen:
Organisation: Der Thrombus wird von Fibroblasten infiltriert, wird von Endothel bedeckt und verwandelt sich in einen narbigen Faserstrang. Dies trägt zur Verödung des Venenlumens und zur Chronifizierung des Prozesses bei.
Embolisation: Wenn der Thrombus instabil ist und sich in das tiefe Venensystem ausbreitet, ist seine Fragmentierung und Wanderung mit der Entwicklung einer Thromboembolie möglich.
Entzündliche Infiltration der Venenwand der V. mediana antebrachii und ein Thrombus in ihrem Lumen: 3D-Modell
WICHTIG! Obwohl sich die Thrombophlebitis auf die epifaszialen Venen bezieht und als „unbedeutend“ angesehen wird, kann sie, wenn eine Vene neben dem saphenofemoralen bzw. der saphenopoplitealen Übergang betroffen ist, in das tiefe Venensystem übergehen. Aus diesem Grund sollte auch eine „oberflächliche“ Entzündung als potenziell thromboembolisch angesehen werden.
Klassifikation der Thrombophlebitis
Nach Lokalisation:
oberflächliche Venenthrombose: Verletzung der epifaszialen Venen, am häufigsten der V. saphena magna des Beins
tiefe Venenthrombose: Mitbeteiligung der tiefen Venen, erhöhtes Risiko einer Thromboembolie
Nach Verlauf:
akut: plötzlicher Ausbruch, ausgeprägte Symptome
chronisch: längerer Verlauf mit Exazerbationen
Nach Vorliegen von Infektionen:
aseptisch: ohne Infektion
septisch: mit Infektion
Thrombophlebitis der V. saphena magna: 3D-ModellThrombophlebitis der V. mediana antebrachii: 3D-Modell
Symptome
Das klinische Bild der Thrombophlebitis hängt von der Lokalisation, der Ausdehnung des Entzündungsprozesses, der Tiefe der betroffenen Venen und dem Auftreten von Komplikationen ab. Am häufigsten kommt die akute oberflächliche Venenthrombose der epifaszialen Venen der unteren Extremitäten vor, aber die Symptome können variieren.
1. Allgemeine Symptome einer akuten Thrombophlebitis
Schmerzen in der Projektion der betroffenen Vene: nagend oder brennend, verstärkt bei Palpation oder Bewegung
Verdickung entlang des Venenverlaufs: in Form eines schmerzhaften und unbeweglichen Strangs tastbar
Hautrötung: über dem entzündeten Bereich, oft linear, entlang des Venenverlaufs
Lokale Erhöhung der Hauttemperatur
Gewebeödeme: mäßig, lokalisiert
Einschränkung der Beweglichkeit der Extremität: bei großflächiger Betroffenheit
Lokale Manifestationen der Thrombophlebitis (oberflächliche Venen des Unterarms und des Unterschenkels): 3D-Modell
2. Besonderheiten des Verlaufs einer tiefen Venenthrombose
Wenn sich der Prozess auf die tiefen Venen ausbreitet, sind stärker ausgeprägte Manifestationen möglich:
diffuses Ödem der gesamten Extremität, oft asymmetrisch
Zyanose oder Marmorierung der Haut
intensive Schmerzen in der Wade oder im Oberschenkel beim Gehen oder Drücken (Homans-Zeichen)
Spannungs- und Schweregefühl im Bein
Die tiefe Venenthrombose tritt oft ohne ausgeprägte Hinweise auf eine Hautentzündung auf, was sie von den oberflächlichen Formen unterscheidet.
3. Lokalisation und Besonderheiten der Symptome
Die Venen der unteren Extremitäten sind die häufigste Lokalisation. Die klinischen Manifestationen sind in der Regel klassisch.
Die Venen der oberen Extremitäten sind oft mit einer Katheterisierung verbunden; lokale Schmerzen und Verdickungen, möglicherweise rasche Verbesserung nach Entfernung des Katheters.
Die Betroffenheit der Thorax- und Halsvenen (z. B. Paget-Schroetter-Syndrom oder Thrombophlebitis der V. cava superior) geht mit Armschwellung, Zyanose und vermehrter Venenzeichnung einher.
Die Perianal- und Schamvenen werden bei bestimmten entzündlichen Erkrankungen wie Behçet-Krankheit oder Thrombophlebitis der Penisvenen betroffen.
4. Komplikationen
Ausbreitung des Thrombus in die tiefen Venen: zunehmende Schwellung, steigende Schmerzen, Verschwinden der eindeutigen Lokalisation der Symptome
Septische Thrombophlebitis: Fieber, Schüttelfrost, eitriger Ausfluss an der Katheterstelle, Anzeichen einer systemischen Infektion
Diagnostik der Thrombophlebitis
Untersuchung (siehe Abschnitt „Symptome“)
Die Duplex-Sonographie der Venen gilt als Goldstandard der Diagnostik. Dabei werden folgende Aspekte beurteilt:
Vorliegen eines Thrombus im Venenlumen (echogene Struktur)
Verlust der Kompression (die Vene kollabiert beim Drücken mit dem Schallkopf nicht)
Fehlen oder Störung der venösen Durchblutung laut Doppler-Sonographie
Dicke und Hyperechogenität der Venenwand
Ausbreitung des Thrombus auf die tiefen Venen oder Übergänge (saphenofemoral, saphenopopliteal)
In komplizierten oder ungewöhnlichen Fällen wird eine CT- oder MR-Venographie durchgeführt:
Becken-, Hals- und Thorax-Thrombophlebitis
Verdacht auf eine durch Ultraschall nicht nachgewiesene Thrombose
Kompression der Venen von außen (Tumoren, Lymphknoten)
Laboruntersuchungen
Es kann zu einem Anstieg von Leukozyten, BSG und C-reaktivem Protein kommen.
Der D-Dimer-Wert kann mäßig erhöht sein, insbesondere wenn tiefe Venen betroffen sind.
Wichtig: Ein normaler D-Dimer-Wert schließt eine Thrombophlebitis nicht aus, aber ein erhöhter D-Dimer-Wert ist ein Grund zum Ausschluss einer tiefen Venenthrombose und Lungenembolie.
Koagulogramm (aPTT, PTZ, INR)
Klinische Chemie (Kreatinin: vor der Verordnung von niedermolekularen Heparinen und Fondaparinux; Leberwerte: im Falle einer langfristigen gerinnungshemmenden Therapie)
Ein Thrombophilie-Screening wird durchgeführt, wenn:
rezidivierende Thrombophlebitis ohne offensichtliche Ursache
thrombotische Komplikationen in der Familienanamnese
Thrombose mit ungewöhnlicher Lokalisation (Hals, obere Extremitäten, Gehirn)
Es werden folgende Parameter untersucht: Protein C und S; Antithrombin III; Mutationen: Faktor-V-Leiden-Mutation, Prothrombinmutation G20210A; Antiphospholipid-Antikörper (Antikörper gegen β2-Glykoprotein, Cardiolipin, Lupus-Antikoagulans).
Behandlung der Thrombophlebitis
Änderung von Risikofaktoren
Rauchstopp
Gewichtskontrolle
Körperliche Aktivität
Vermeiden von langem Stehen/Sitzen
Kontrolle von Diabetes mellitus, Hyperlipidämie und Blutdruck
Kompressionsstrümpfe (Klasse II): insbesondere bei Varizen, nach einem akuten Schub
Medikamentöse Therapie
Eine gerinnungshemmende Therapie wird nicht nur bei der tiefen Venenthrombose, sondern auch bei der oberflächlichen Thrombophlebitis eingesetzt, wenn diese ein erhöhtes Risiko aufweist oder einen komplizierten Verlauf hat.
Indikationen:
Länge des Thrombus ≥ 5 cm
Lokalisation näher als 3 cm zum saphenofemoralen oder saphenopoplitealen Übergang
starke Schmerzen und Entzündung
Risikofaktoren einer tiefen Venenthrombose/Lungenembolie (Tumoren, kürzliche Operation, Schwangerschaft, Thrombophilie)
Empfohlene Arzneimittel:
Fondaparinux 2,5 mg/Tag subkutan, 45 Tage lang
niedermolekulare Heparine (z. B. Enoxaparin)
Rivaroxaban: Off-Label-Use, aber akzeptabel, wenn keine Injektionen durchgeführt werden können
Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) werden allen Patienten mit akuten Entzündungen verschrieben, insbesondere bei Schmerzen und Schwellungen.
Ibuprofen, Nimesulid, Meloxicam, Ketoprofen
Dauer: 7–10 Tage (bis zum Abklingen der Entzündung)
Antibiotika werden nur bei Verdacht auf eine infektiöse (septische) Thrombophlebitis verschrieben.
Antibiotika der Wahl: Amoxicillin/Clavulansäure, Cefazolin, Ceftriaxon. Bei MRSA: Vancomycin, Linezolid
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Chirurgische Behandlung
Indikationen:
Ausbreitung des Thrombus zur Mündung der epifaszialen Vene
hohes Thromboembolierisiko und Unmöglichkeit der Antikoagulation
septische Thrombophlebitis
Unwirksamkeit der medikamentösen Behandlung
wiederholte Episoden im Zusammenhang mit Varizen
Methoden:
Ligatur der betroffenen Vene (häufiger der Mündung der V. saphena magna)
Thrombektomie: selten, bei Unwirksamkeit anderer Behandlungsmethoden
kombinierte Venenentfernung (Entfernung von Krampfadern): nach Abklingen des akuten Prozesses eingesetzt
FAQ
1. Was ist eine Thrombophlebitis und was unterscheidet sie von einer Thrombose (Phlebothrombose)?
Als Thrombophlebitis bezeichnet man eine Entzündung der Venenwand mit Bildung eines Blutgerinnsels (Thrombus), meist in oberflächlichen Venen. Unter Thrombose versteht man allgemein das Vorliegen eines Thrombus in einem Gefäß, das nicht unbedingt entzündet ist.
2. Ist eine oberflächliche Thrombophlebitis gefährlich?
Obwohl sie in der Regel weniger gefährlich ist als eine tiefe Venenthrombose, kann sie in einigen Fällen durch die Wanderung des Thrombus in die tiefen Venen kompliziert werden und zu einer Lungenembolie führen.
3. Muss eine Thrombophlebitis behandelt werden, wenn sie keine Beschwerden bereitet?
Ja. Auch wenn die Symptome gering sind, müssen die Entzündung und der Thrombus überwacht und in vielen Fällen medikamentös behandelt werden, insbesondere, wenn sich der Thrombus in der Nähe tiefer Venen befindet.
4. Wie wird eine Thrombophlebitis behandelt?
Es werden Antikoagulanzien, nicht steroidale Antirheumatika und Kompressionstherapie eingesetzt. In seltenen Fällen ist ein chirurgischer Eingriff erforderlich.
5. Welche Anzeichen deuten darauf hin, dass die Thrombophlebitis kompliziert wird?
Zunehmende Schwellung, Ausbreitung von Schmerzen, Hautverfärbung, plötzliche Atemnot oder Brustschmerzen sind mögliche Anzeichen einer Thromboembolie. Wenn sie auftreten, ist es wichtig, sofort einen Arzt aufzusuchen.
6. Darf man bei einer Thrombophlebitis das Bein erwärmen?
Nein. Wärmeanwendung kann die Entzündung verstärken und das Risiko einer Embolie erhöhen. Es empfiehlt sich, Kompressionsstrümpfe und entzündungshemmende Medikamente zu verwenden.
7. Können Varizen zu einer Thrombophlebitis führen?
Ja. Varizen gehören zu den wichtigsten Risikofaktoren. Beschädigte Klappen und Blutstau schaffen die Voraussetzungen für Entzündungen und Thrombosen.
8. Welche Untersuchung bestätigt das Vorliegen einer Thrombophlebitis?
Als Hauptmethode gilt die Duplex-Sonographie der Venen. Laboruntersuchungen (D-Dimer, CRP) helfen, den Grad der Entzündung und das Risiko von Komplikationen zu beurteilen.
9. Wann ist eine chirurgische Behandlung der Thrombophlebitis erforderlich?
Bei einem Thrombus in der Nähe der tiefen Venen, bei einem eitrigen Prozess, einer unwirksamen Therapie oder häufigen Rezidiven im Zusammenhang mit Varizen. Die Entscheidung wird von einem Gefäßchirurgen getroffen.
10. Wie lässt sich das Risiko einer erneuten Thrombophlebitis verringern?
Kontrolle von Risikofaktoren: Tragen von Kompressionsstrümpfen, Verringerung des Körpergewichts, Rauchstopp, Kontrolle von Krampfadern, körperliche Aktivität, Vermeidung von längerer Ruhigstellung.
Liste der Quellen
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2.
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