Eine Retraktionstasche (lat. sinus retractionis) ist ein pathologischer Zustand, bei dem es zu einer lokalen Einziehung (Invagination) eines Teils des Trommelfells in die Paukenhöhle kommt. Es handelt sich hierbei nicht um eine anatomische Struktur, sondern um einen erworbenen Defekt, der eine direkte Konsequenz des chronischen negativen Drucks im Mittelohr ist.
Das Vorhandensein einer Retraktionstasche weist auf eine persistierende Funktionsstörung der Tuba auditiva hin. Dieser Zustand ist ein schwerwiegendes klinisches Problem, da er Vorläufer schwerer Erkrankungen wie adhäsiver Otitis media und vor allem Cholesteatom ist.
Der hauptsächliche und einzige Grund für Retraktionstaschen ist eine Störung der Tubenventilation. Normalerweise öffnet sich die Eustachische Röhre regelmäßig, um den Druck in der Paukenhöhle an den Umgebungsdruck anzupassen.
Bei ihrer Fehlfunktion (durch Polypen, chronische Rhinosinusitis und Allergien) kommt es zu einer Störung dieses Mechanismus. Die Luft in der geschlossenen Paukenhöhle wird allmählich von der Schleimhaut aufgesaugt, was zu einem anhaltenden Unterdruck (Vakuum) führt. Durch den äußeren Luftdruck zieht sich der lockere Teil des Trommelfells nach innen ein. Meistens bildet sich die Tasche im nicht gespannten Teil (Pars flaccida), da dieser keine harte fibröse Schicht aufweist.
Mit der Zeit kann sich der Taschenboden mit Strukturen des Mittelohrs (Gehörknöchelchen, Wände) verwachsen. In der Taschenhöhle kommt es zu Epithelabschilferungen, die sich in der Folge in der Paukenhöhle ansammeln. Diese Ansammlung bildet den Nährboden für Cholesteatom, eine aggressive, destruierend-entzündliche Knochenläsion.
In den Frühstadien kann die Retraktionstasche asymptomatisch bleiben. Mit zunehmender Vergrößerung und Entwicklung von Komplikationen treten Beschwerden auf.
Symptome und klinische Erscheinungen:
Die Diagnose wird anhand einer Otoskopie gestellt, ergänzt durch otomikroskopischen oder endoskopischen Befund. Je nach Tiefe und Verwachsungsgrad werden mehrere Stadien der Retraktionstaschen unterschieden (z. B. Klassifikation von Tos).
Die Behandlungstaktik wird anhand des Stadiums gewählt. Bei flachen, belüfteten Taschen ist abwartendes Vorgehen möglich, wobei die Ursache der gestörten Tubenventilation behandelt wird. Bei tieferen oder verwachsenen Taschen kann ein Belüftungsröhrchen (Shunt) angebracht werden, das einen Druckausgleich herstellt. Tiefe, komplett verschlossene Taschen, insbesondere bei Verdacht auf ein Cholesteatom, sind eine Indikation für chirurgische Maßnahmen – Tympanoplastik mit Entfernung der Tasche und Befestigung des Trommelfells (ggf. mit einem Knorpel).
Ziel der Diagnostik ist, den Zustand der Retraktionstasche zu beurteilen und eine einfache, stabile Tasche von einem beginnenden Cholesteatom zu unterscheiden. Am wichtigsten ist herauszufinden, ob eine Selbstreinigung der Tasche stattfindet. Wenn sich Keratin am Boden der Tasche ansammelt, ist das Risiko eines Cholesteatoms extrem hoch. Die Tasche sollte auch von einer trockenen Trommelfellperforation unterschieden werden. Die Otomikroskopie mit sorgfältiger instrumenteller Palpation der Taschenwände sowie ein Schläfenbein-CT bei Verdacht auf Knochenschädigung tragen unterstützen im Wesentlichen die Differentialdiagnose und Behandlungsplanung.
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